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NRW steuert gegen Schwächen im schulischen Schwimmunterricht

Fehlende Sportlehrkräfte, große Lerngruppen und verhältnismäßig wenig Wasserzeit - sicheres Schwimmen lernen in der Schule und ein sensibler Abbau von Ängsten im Wasser sind eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Dieses Ergebnis erbrachte die von der Staatskanzlei NRW finanziell unterstützte Pilotstudie "Schwimmen lernen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund" über den Alltag im schulischen Schwimmunterricht. Durchgeführt wurde diese von Prof. Dr. Thomas Jaitner, Dr. Veronique Wolter und Anna Sendt vom Institut für Sport und Sportwissenschaft an der Technischen Universität Dortmund. Deutlich wurde hierbei auch, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund darüber hinaus auch mit anderen Einflüssen zu kämpfen haben.

 

Die Schwimmausbildung ist gesellschaftlich von höchster Bedeutung, denn nicht zuletzt dient sie zur Prävention von Ertrinkungsunfällen. Sie ergänzt zudem die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Doch noch hapert es an der Umsetzung. In NRW liegt der Anteil an Schwimm-Anfänger:innen  für die fünfte Jahrgangsstufe auf geschätzten 30 Prozent. Zu wenig Fachpersonal, zu große Gruppen und zu wenig Schwimmstunden sind hohe Hürden auf dem Weg, dringend benötigte Abhilfe zu schaffen.

 

Daher hat sich die Landesregierung NRW das Ziel gesetzt, dass jedes Kind am Ende der Grundschulzeit, spätestens aber zum Ende der sechsten Klasse, sicher schwimmen können soll. Unterstützend initiierte das Ministerium für Schule und Bildung über den Aktionsplan "Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen 2019 bis 2022" den Einsatz qualifizierter Schwimm-Assistent:innen , die einen vielseitigen und entwicklungsfördernden Schwimmunterricht in der vertrauten Klassenatmosphäre anbieten sollen. Die Praxis zeigt: Wenn die Kooperation mit der Schule gut organisiert und begleitet wird, profitieren die Lerngruppen durch flexiblere Differenzierungsmöglichkeiten.

 

Deutlich wurde in der Pilotstudie, dass insbesondere Kinder mit einem niedrigeren sozialen Status sowie Kinder mit beidseitigem Migrationshintergrund häufiger Nichtschwimmer:innen  sind. Hinderlich ist, wenn das familiäre Umfeld aus sozialen, kulturellen oder religiösen Gründen einen nur geringen Bezug zum Schwimmen hat, eventuell sogar selbst nicht schwimmen kann. Insbesondere die Geschlechterrollen, die Religion und das sprachliche Vermögen nehmen einen entscheidenden Einfluss auf die außerschulischen Sportaktivitäten. Mögliche Fluchterfahrungen können zudem Abwehrreaktionen oder starke Angstgefühle gegenüber dem Wasser hervorrufen und damit die Teilnahmebereitschaft am Schwimmunterricht beeinflussen.

 

In der Aufklärung und Begleitung des familiären Umfeldes sollten laut der Studie die kulturellen Unterschiede im Umgang mit dem Bewegungsraum Wasser berücksichtigt und die fördernden Maßnahmen individuell angepasst werden. Lehrkräfte profitieren davon, die kulturelle Diversität innerhalb der Lerngruppen anzuerkennen und sensibel aufzugreifen, ohne dabei den Fokus auf die individuellen Unterschiede zu sehr zu verschärfen. Dies belegen verschiedene Studien, die die signifikante Verbesserung der interkulturellen Methoden- und Sachkompetenz bei Studierenden und Sportlehrkräften im Rahmen vielfältiger Aus- und Weiterbildungsinhalte aufzeigen.

Studie zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Fitnessstudios

Aktuellen Studien zufolge sind mehr als die Hälfte aller Menschen mit Behinderungen in Deutschland nicht sportlich aktiv. Während es im organisierten Sport zunehmend entsprechende Angebote von Sportverbänden und Sportvereinen gibt, ist die Situation insbesondere im kommerziellen Fitnessbereich eine andere. Die Bereitschaft der Betreiber:innen ist durchaus vorhanden, doch die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Fitnessstudios gestaltet sich schwierig.

 

Von März bis Dezember 2021 wurde von der Abteilung Sportwissenschaft der Universität Bielefeld mit finanzieller Unterstützung der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen ein Projekt zum Stand sowie den Möglichkeiten der Inklusion von jungen Menschen mit Behinderungen in Fitnessstudios durchgeführt. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. Pamela Wicker und Prof. Dr. Bernd Gröben. Ergebnis: Es gibt Unterstützungs- und Beratungsbedarf, damit diese Angebotsbereitschaft auch ausgeschöpft werden kann und Menschen mit Behinderungen von entsprechenden Angeboten profitieren können.

 

Auf der Individualebene wurde untersucht, welche Restriktionen Menschen mit Behinderungen vom Training in Fitnessstudios abhalten und wie diese die Zahlungs- und Reisebereitschaft für eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio beeinflussen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Mitgliedschaft ist bei Menschen mit Verlust oder Funktionseinschränkung der Gliedmaßen/des Rumpfes höher. Unwahrscheinlicher ist eine Mitgliedschaft bei Frauen, vorhandener Angst vor Gewalt im Fitnessstudio sowie bei einem Mangel an Zeit und Transportmöglichkeiten. Die durchschnittliche, monatliche Zahlungsbereitschaft liegt bei 23 EUR, die durchschnittliche Reisebereitschaft bei 15 Minuten. Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz von barrierefreien, öffentlichen Verkehrsmitteln und einer verbesserten Einbindung von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsmarkt. Zusätzlich zeigen sich Ansatzpunkte für Fitnessstudioleitungen z.B. im Hinblick auf reduzierte Beiträge für Menschen mit Behinderungen oder einer Teilfinanzierung beispielsweise durch die öffentliche Hand.

 

Auf der Organisationsebene werden die Ansatzpunkte zur Verbesserung des Ist-Zustandes von Fitnessstudiobetreiber:innen erkannt. Besondere Qualifikationen der Trainer:innen werden teilweise als wichtig erachtet. Andererseits stelle eine Behinderung eine ähnliche Einschränkung dar wie andere limitierende Faktoren bei Menschen ohne Behinderungen, z.B. Alter oder der allgemeine Fitnesszustand. Damit seien alle Mitarbeitenden auch für eine solche Betreuung von Menschen mit Behinderungen geeignet. Und dennoch bestehen Hemmschwellen und Unsicherheiten, für deren Abbau die Mitarbeitenden sensibilisiert werden müssen.

 

Fitnessstudios rechnen ihre Kurse u. a. mit Reha-Angeboten mit Krankenkassen ab. Ein Flächentraining auf Verordnung ist jedoch nicht möglich. Daher werden Investitionen von den Studios als notwendig erachtet, vor allem in den Bereichen Personal und Trainingsgeräte. Es bestehen große Zweifel an der Wirtschaftlichkeit, besonders im Niedrigpreissegment. Und Fördermöglichkeiten sind den Betreiber:innen nicht bekannt.

 

Bei der Infrastruktur der Fitnessstudios zeigen sich große Unterschiede in der Barrierefreiheit. Spezielle Geräte gibt es kaum, Möglichkeiten der Teilnahme werden im Freihantelbereich und in der Anpassung vorhandener Geräte gesehen. Besondere Rücksicht auf Menschen mit geistigen Behinderungen wird nur in einem der sieben befragten Fitnessstudios genommen, indem Geräte nummeriert und auf einem Plan visualisiert sind.

 

Deutlich wurde beim Bielefelder Projekt, dass die gesellschaftliche Notwendigkeit der Inklusion von Menschen mit Behinderungen erkannt wird und es eine Bereitschaft gibt, auf steigende Nachfrage mit Anpassungen zu reagieren. In Vorleistung wollen die Betreiber:innen der Studios jedoch nicht gehen, das finanzielle Risiko sei zu hoch. Die Initiative müsse daher von Menschen mit Behinderungen oder übergeordneten Institutionen ergriffen werden. Um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Fitnessstudios voranzutreiben, erscheinen Kooperationen mit Ärztinnen und Ärzten wichtig. Diese sind aber nur schwer umsetzbar. Kooperationen mit Behindertenwerkstätten bestehen kaum und sind in der Vergangenheit an Transportproblemen zum Fitnessstudio gescheitert. Es gibt also noch viel zu tun.

 

Auf der intermediären Ebene wurden Trainer:innen befragt. Die Selbsteinschätzung hinsichtlich notwendiger Fähigkeiten bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen im Fitnessstudio als auch die Einstellung dazu sind von hoher Relevanz für den Willen von Trainer:innen, Menschen mit Behinderungen beim Training zu unterstützen. Die Analyse der Onlinefragebögen (n=183) zeigt allerdings, dass die Trainer:innen zwar eine positive Einstellung sowie eine hohe Intention aufweisen, sich diese beiden Komponenten jedoch signifikant von der eigenen Selbsteinschätzung hinsichtlich notwendiger Fähigkeiten bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen im Fitnessstudio unterscheiden. Gerade dieser Befund verweist auf die Notwendigkeit, spezifische Angebote für die Vermittlung solcher Fähigkeiten zu entwickeln und anzubieten. 

Inklusionsprojekt „InkluEx“ für Menschen mit Behinderung

Der Weg der Inklusion ist lang und beschwerlich. Die Bilder von Erfolgen deutscher Sportler bei Paralympischen Spielen sind die eine, die schöne Seite, doch der Alltag sieht für Menschen mit Behinderung oftmals weniger schillernd aus. Für die Universität Duisburg-Essen (UDE) ist es daher das große Ziel, an den Zuständen langfristig etwas zu ändern. Die UDE mit dem Leitbild "Offen im Denken" zeichnet sich dabei vorbildlich durch ihren Fokus auf den professionellen Umgang mit Vielfalt und Heterogenität aus.

 

Das Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften der UDE legt besonderes Augenmerk auf ein weites Inklusionsverständnis. Um diese Ziele zu verfolgen, wurde das Projekt "InkluEx: An den Potenzialen ansetzen!" ins Leben gerufen. Hierbei wird der Fokus auf die Förderung von Menschen mit Behinderung im und durch den Sport gelegt.

 

Damit folgt das Institut dem Aufruf des Landesaktionsplans in Nordrhein-Westfalen "2019-2022 Gemeinsam für eine inklusive Sportlandschaft". Ziel ist es hier, Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote für Menschen mit Behinderung anzubieten. Diese Angebote sollen den individuellen Wünschen und Voraussetzungen entsprechen und die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft unterstützen.

 

Die Umsetzung des Projektes steht unter der Gesamtleitung von Prof. Dr. Michael Pfitzner und wird durch die Staatskanzlei NRW als Pilotprojekt im Rahmen des Forschungsverbundes Kinder- und Jugendsport NRW gefördert. In enger Zusammenarbeit mit dem Partner DJK Franz Sales Haus e.V. in Essen (FSH) wird ein Interventionsprogramm entwickelt, das an den Potenzialen der Sportler mit geistiger Behinderung ansetzt und die exekutiven Funktionen fördern soll.

 

Das Programm wird in enger Zusammenarbeit mit dem Hauptverantwortlichen der FSH-Tischtennisabteilung, Tobias Papies, in Essen durchgeführt. Die Zielgruppe des Förderprogramms umfasst 16 Sportler mit geistiger Behinderung dieser Abteilung. Diese absolvieren zwei Tischtennistrainingseinheiten in der Woche.

 

Ein Trainingstermin findet in der inklusiven Sportgruppe statt, in der Sportler mit und ohne Behinderung gemeinsam trainieren. Der zweite Termin findet ausschließlich mit den Athleten mit mentaler Behinderung statt. Die Struktur einer Trainingseinheit ist stets gleich aufgebaut, um Sicherheit und Kontinuität für alle Teilnehmer zu gewährleisten.

 

Der Sport bildet einen zentralen Baustein in der Förderung dieser Fähigkeiten der exekutiven Funktionen. Wie Studien belegen, kann er nachweisbare Effekte erzielen, z.B. verbesserte Fähigkeiten zur Selbstregulation, die sich auch in Form angepasster Handlungsmöglichkeiten in neuen Situationen zeigen. Damit kann ein Beitrag zur Unterstützung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unterstützt werden.